Kaufen, wegwerfen, kaufen, wegwerfen, kaufen …

Warum kaufen wir so viele neue Dinge? Ein Smartphone der neusten Generation, obwohl das, was wir bereits haben, noch gut funktioniert. Eine Bluse in der neuen Trendfarbe senfgelb, obwohl die himmelblaue vom letzten Jahr noch gut sitzt und kräftige Farben hat. Manchmal gehen die Sachen aber auch sehr schnell kaputt. Das Fahrradlicht für 10 Euro, welches wir erst ein Jahr haben, ersetzen wir schnell durch ein Neues. Gefühlt haben die Sachen früher auch länger gehalten. „Die Qualität war früher eine andere“ hört man des Öfteren aus seinem Umfeld oder lässt sich sogar selbst zu diesen Aussagen hinreißen. In Anbetracht der unzähligen Möglichkeiten, schnell, unkompliziert und kostengünstig an neue Produkte zu gelangen, erscheint der Konsum eine logische Konsequenz. Dies bringt jedoch erheblich ökologische Probleme mit sich. Ressourcenknappheit, Müllberge, CO2 Belastung und vieles mehr. Nähere Informationen findest du in einem unserer weiteren Blogartikel. Nun kann man sich aber natürlich fragen, was hinter dem ganzen Konsum steckt: Sind es persönliche Gründe? Konsumieren wir, um uns gut zu fühlen? Sicher, aber ist da mehr? Gibt es von industrieller und Marktseite eine gezielte Systematik, um den Konsum anzukurbeln? Hierfür zeigen wir in diesem Artikel Blege auf und diese Praktik ist auch intuitiv nachvollziehbar. Es geht darum den Absatz anzukurbeln, zu wachsen. Aufgabe von Marketing ist es Bedürfnisse zu erzeugen, Produkte anzupreisen und zu Käufen anzuregen. Warum die Verhältnisse aber nicht so schwarz/weiß sind wie sie oft dargestellt werden, erfahrt ihr in diesem Artikel. Die erste Frage ist, wie und ob alle Vorgehensweisen für die Verbraucher transparent und fair sind und ob wir dieses ökologisch belastende Verhalten ändern können. Um uns dieser Frage anzunähern, müssen wir erst einmal einen Blick in die Vergangenheit werfen.


Das hundertjährige Licht

Mitten in Kalifornien, in der Nähe von San Francisco, genauer gesagt in der 80.000 Einwohnerstatt Livemore, brennt in einer Feuerwache eine Glühbirne. Sie sieht etwas aus wie die nachgemachten Retro-Edisonbirnen auf LED-Basis, die man heute oft als Dekoleuchten in hippen Cafés und Restaurants findet. Es ist aber keine LED-Birne, sondern eine Glühlampe mit einem Kohlenfaden und sie brennt bereits seit über 100 Jahren. Es gab, aufgrund von Umzügen der Feuerwehr in Livemore, zwar ein paar wenige Unterbrechungen, aber seit sie 1901 der Feuerwache von einem ortsansässigen Unternehmer geschenkt wurde, brennt sie annähernd permanent und spendet Licht. Ihre Leistung hat sich zwar von, ursprünglich mal 60 Watt auf mittlerweile 4 Watt reduziert, was unter anderem auch als Erklärung für ihre lange Lebensdauer herangezogen wird, aber sie brennt und nur die geringe Leistung kann natürlich nicht die alleinige Erklärung für ihre lange Haltbarkeit sein. Schaut man sich die Leuchtdauer heutiger LED-Lampen an, kommt man auch auf stattliche 20 bis 50 Jahre (bei einer durchschnittlichen Leuchtdauer von 3h/Tag), aber von Glühbirnen kennt man das eigentlich anders. Die 2012, endgültig mittels EU-Verordnung, aus dem Verkehr gezogenen Glühbirnen hatten eine durschnittliche Lebensdauer von 1 Jahr. Was ist also das Geheimnis der Glühlampe in Livemore?


Das Glühbirnkartell

Wie das hundertjährige Licht heute noch zeigt, war die Lebensdauer der um die Jahrhundertwende produzierten Glühbirnen keineswegs auf wenige Jahre eingeschränkt, sie waren damals nahezu für die Ewigkeit gemacht und spendeten, wenn sie nicht zerbrachen lange Jahre Licht. Dieser für die Kunden erfreuliche Umstand war, aus Sicht der damaligen Glühbirnenhersteller, wirtschaftlich gesehen jedoch eher nachteilig. Sie beschlossen also etwas zu unternehmen, um den Markt weiter anzukurbeln. Zu diesem Zweck trafen sich im Jahre 1925 insgesamt acht namhafte Glühlampenhersteller in Genf, unter anderem auch die hierzulande bekannten Firmen Osram und Philips, um sich den Weltmarkt der Produktion und des Absatzes aufzuteile. Sie gründeten kurzum ein Kartell und stimmten die Lebensdauer, Helligkeit und den Stromverbrauch ihrer Leuchtprodukte aufeinander ab und legten den letztendlichen Wert von 1000h Leuchtdauer fest. Neben dem Austausch von Patenten und der Angleichung technischer Umsetzungen wurden Preisabsprachen getroffen und Gebietsherrschaften festgelegt. So entstand in den einzelnen Verkaufsgebieten eine konkurrenzlose Situation für den jeweiligen Gebietshersteller. Ein zehnjähriger Rechtsstreit der US-Regierung mit General Electric endete 1953 mit der Zerschlagung des Kartells und dem Verbot einer begrenzten Lebensdauer für Glühbirnen.

Die Geplante Obsoleszenz

Die Absprachen und der Rechtsstreit um des Glühbirnenkartell wird heute noch als Paradebeispiel für gezielte Produktmanipulation, zum Zwecke der Absatzsteigerung genommen und ist unter dem Begriff „geplante Obsoleszenz“, also geplanter Verschleiß bekannt. Der Begriff „geplante Obsoleszenz“ bzw. das Konzept wurde in der Vergangenheit immer wieder medial aufbereitet und dazu verwendet eine Front zwischen ProduzentInnen und VerbraucherInnen im Sinne einer Opfer-Täterbeziehung aufzubauen. Historische Beispiele wie das Glühbirnenkartell bieten dafür auch den Stoff für einen waschechten Wirtschaftskrimi. Besonders breite Aufmerksamkeit erhielt das Thema in der 2010 von Cosima Dannoritzer, produzierten Dokumentation „Kaufen für die Müllhalde“. Neben der Ausstrahlung im Kino, wurde die Dokumentation mehrfach in TV-Sendern wie ARTE und Phoenix gezeigt und rückte somit den Begriff der „geplanten Obsoleszenz“ in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Die Dokumentation behandelt das Thema an verschiedenen praktischen Beispielen, wie den Tintenstrahldruckern, welche vorzeitig leere Toner melden oder dem fest verbauten, kurzlebigen Akku des Appel IPods. Auch wenn in der Dokumentation die Konsumgesellschaft als Kernproblem kritisch betrachtet wird, entsteht der Eindruck, dass vor allem die VerbraucherInnen die Opfer und dem Verhalten der Industrie und des Marktes hilflos ausgeliefert sind. Dennoch ist bis heute der Punkt strittig, ob die Strategie der geplanten Obsoleszenz wirklich existiert. Zumindest in dem Sinne, wie sie beispielsweise in der Dokumentation beschrieben und auch von Gregory 1947 erstmals definiert wurde. Dieser bezeichnete die geplante Obsoleszenz als “absichtliche Obsoleszenz” und stellte folgenden Definition auf:

(a) whenever manufacturers produce goods with a shorter physical life than the industry is capable of producing under existing technological and cost conditions;

Frei übersetzt: “Immer wenn Produzenten Güter herstellen, deren physische Haltbarkeit kürzer ist, als unter gleichen technologischen Voraussetzungen und Kosten möglich wäre.

or (b) whenever manufacturers or sellers induce the public to replace goods which still retain substantial physical usefulness.” (Gregory 1947).

Frei übersetzt: „wenn Produzenten oder Verkäufer die Öffentlichkeit dazu verleiten, Produkte zu ersetzen die eigentlich noch grundlegend funktionieren würden“[8]

Geplante Obsoleszenz, gibt es sie wirklich?

Gibt es also die gezielte Produktmanipulation von Seiten der Industrie, um den Absatz anzukurbeln? Die Antwort ist Ja und Nein bzw. man muss differenzieren. Strategien zu entwerfen, die die Nutzungsdauer von Produkten beeinflussen, ist fester Bestandteil einer Marketingstrategie. Wie bekomme ich die Kunden zu einem Neukauf? Diese Frage lässt sich auf unterschiedliche Weise beantworten. Zur Diskussion steht, ob die eine oder andere Strategie moralisch besser gegenüber den VerbraucherInnen vertretbar ist, bzw. ob nicht vielleicht ein grundlegenderes Problem im Hintergrund steht. Wie im zweiten Teil der Definition von Gregory ersichtlich, lassen sich auch andere Formen der geplanten Obsoleszenz definieren. Gregory (1947) beschreibt auch das Vorgehen als geplante Obsoleszenz, wenn die Verbraucher dazu überredet bzw. beeinflusst werden noch funktionstüchtige Produkte durch neue zu ersetzen. So existiert neben der geplanten Obsoleszenz auf qualitativer bzw. werkstofflicher Basis auch andere Obsoleszenzformen. In der Studie vom Ökoinsitut 2016 werden unter anderem eine psychologische und funktionelle Obsoleszenz ins Feld geführt. Wobei eine funktionelle Obsoleszenz vorliegt, wenn sich die technischen und funktionalen Anforderungen ändern und somit ein Produkt unbrauchbar wird, weil bspw. Schnittstellen von Hard- und Software nicht mehr kompatibel sind. Auch wenn diese Strategie einen Neukauf durch Alterung, in diesem Falle technisch, provoziert, ist die Betrachtungsweise eine andere. Wird ein Bildschirm unbrauchbar, weil er nur einen VGA-Anschluss hat und nicht über die neuere HDMI-Schnittstelle verfügt, wird dies auf eine Innovation zurückgeführt und somit ein Neukauf eines Bildschirms eher als positiv betrachtet. Ähnlich ist es mit der psychologischen Obsoleszenz. Hiervon spricht man, wenn Produkte nicht mehr der aktuellen Mode entsprechen und somit durch neue ersetzt werden. Der Impuls für einen Neukauf kommt aus Sicht der VerbraucherInnen von ihnen selbst. So liegt die Entscheidung, die noch tragbare Skinny Jeans durch eine Boyfriend Jeans zu ersetzen vermeintlich alleine beim Verbraucher und drückt Modebewusstsein aus. Auch hier ist das Thema Obsoleszenz weniger negativ behaftet. Weitere Strategien und eine eingehendere Beschreibung dieser lassen sich in der, öffentlich verfügbaren, Studie vom Ökoinstitut nachlesen.

Obsoleszenz existiert also auf unterschiedlichen Ebenen. Die Beispiele für eine qualitative/werkstoffliche Obsoleszenz, welche eine große, öffentliche Aufmerksamkeit erregt haben und die unter anderem von Stefan Schridde in seinem Buch „Murks nein Danken“ ins Feld geführt werden, sind jedoch umstritten. Dies zeigt auch die Studie vom Ökoinstitut 2016. Hier werden die Beispiele, wie die Kunststoff-Laugenbehälter von Waschmaschinen oder ein ungünstig platzierter Elektrokondensator in Elektronikbauteilen einzeln beleuchtet und der Schluss gezogen, dass es keine hinreichenden Indizien für eine qualitative/werkstoffliche Obsoleszenz gibt.
Dennoch bleibt bei vielen der Eindruck zurück, dass Produkte immer kurzlebiger sind. Hierfür gibt es, wie beschrieben, verschiedene Gründe: Selbst eigentlich langlebige Produkte wie Toaster unterliegen mittlerweile Trends und Moden. Und wir sind als KundInnen selbst Teil des Problems, wenn wir hauptsächlich nach den günstigsten Angeboten suchen, anstatt Anzeichen für eine hohe Lebensdauer in die Kaufentscheidung einfließen zu lassen (wie z.B. lange Garantiezeiten oder einen guten Ruf einer Marke).

Der Konsum boomt. Was können wir ändern?

Wir konsumieren viel und dafür gibt es verschiedene Gründe. Zum einen finden sich die Ursachen in der Wirtschaft und dem Bestreben nach ständigem Wachstum, zum anderen finden wir Gründe in der Gesellschaft, in welcher Konsum und zur Schaustellung von neuen Produkten ein Ausdruck von Wohlstand und Status ist.
Wir können aber auch abseits der Umwelteinflüsse einen Blick auf uns selbst werfen und uns die Frage stellen, was uns zum Konsum antreibt. Tun wir uns mit dem Kauf von Dingen vermeintlich etwas Gutes? Definieren wir uns als Person über materielle Dinge? Die Einflüsse auf unser Verhalten sind vielfältig und bedingen sich auch immer gegenseitig. Die Gesellschaft formt den Markt und anders herum. Der Blick auf uns selbst ist sehr wichtig, denn die Suche nach den Gründen in unserer Umwelt birgt gewisse Gefahren, besonders wenn sie emotional aufgeladen ist. Entsteht der Eindruck, dass die Industrie und die ProduzentInnen die VerbraucherInnen dazu zwingen Produkte immer wieder neu zu kaufen, sei es durch minderwertige Fertigung oder wechselnde Trends, baut sich eine klare Täter-/Opferfront auf. Sind die Verbraucher jedoch die Opfer, sind sie hilflos und auch nicht dazu angehalten ihr Verhalten zu ändern. Eine Verhaltensänderung im Konsumbereich ist jedoch zwingend notwendig. Warum dies aus ökologischer Sicht notwendig ist, führen wir in einem weiteren Beitrag aus. Wie kann eine solche Verhaltensänderung bei uns selbst aussehen?

Ein ganz konkreter Vorschlag ist, die Möglichkeit der Reparatur und Wiederverwendung von Produkten wieder aktiv in Betracht zu ziehen. Es muss wieder eine Tugend werden, Dinge und die Ressourcen, die in ihnen stecken, wertzuschätzen. Denn wenn ich mir über den Wert und die Arbeit, die in der Herstellung einer Waschmaschine stecken, bewusst bin, bin ich auch eher dazu bereit sie zu reparieren oder reparieren zu lassen. Dinge von Wert wirft man nicht einfach weg, man möchte sich möglichst lange ihrer Funktion und Anwesenheit erfreuen. Das kann natürlich nur ein kleiner Puzzlestein in der Veränderung unseres gesellschaftlichen Verhaltens sein, aber es ist ein konkreter Anfang, zu dem jeder und jede im Stande ist und wir müssen anfangen unser Verhalten in diesem Bereich zu verändern.

Reparieren. Gut für uns selbst und gut für die Umwelt.

Hier also der konkrete Aufruf zu einer Einstellungs- bzw. Verhaltensänderung. Die Reparatur und Wieder- bzw. Weiterverwendung von Dingen, die wir besitzen in Betracht ziehen. Wir bei flux glauben aber nicht an reine Forderungen, sondern wollen immer konkrete Handlungsmöglichkeiten bieten. Hierfür haben wir verschiedene Artikel mit konkreten Handlungsoptionen geschrieben: Wie und wo kann ich meine Schuhe reparieren lassen? Wo kann ich mich hinwenden, wenn ich keine Ersatzteile zum Reparieren finde oder diese zu teuer sind? Wer kann mir beim Reparieren helfen? Was kann von gesetzlicher Seite her verändert werden, damit eine Reparatur wieder attraktiver wird? Auf was kann ich beim Neukauf achten, damit ich möglichst lange etwas von meinem Produkt habe? Warum ist Reparieren nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für uns selbst und unser Wohlbefinden? Diese und mehr Fragen beantworte wir in unserer Serie zum Thema „Das Leben der Dinge und wie wir es verlängern können.“

Quellen und weiterführende Links.

1 http://www.centennialbulb.org/facts.htm
2 https://www.light11.de/lightmag/lebensdauer-von-leuchtmitteln/
3 http://www.eu-info.de/europa-punkt/politikbereiche/gluehbirnen-verbot/
4 https://spectrum.ieee.org/tech-history/dawn-of-electronics/the-great-lightbulb-conspiracy
5 http://www.murks-nein-danke.de/verein/
6 https://www.umweltbundesamt.de/obsoleszenz-studie-o-toene-zitate
7 Kaufen für die Müllhalde Geplante Obsoleszenz ARTE ORF2 https://vimeo.com/148891164
8 http://enviroinfo.eu/sites/default/files/pdfs/vol8514/0189.pdf
9 http://www.wirtschaftslexikon24.com/d/obsoleszenz/obsoleszenz.htm
10 https://www.oeko.de/forschung-beratung/themen/konsum-und-unternehmen/fragen-und-antworten-zu-obsoleszenz
11 https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/einfluss-der-nutzungsdauer-von-produkten-auf-ihre-1
12 https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/recht-auf-reparatur-17191347.html

Filed under: Das Leben der Dinge