Das Leben der Dinge und wie wir es verlängern können: Option Upcycling in Unternehmen

Gastbeitrag von Claudia Allonas von Up-Preneurs

Quelle: DAMRONG RATTANAPONG/shutterstock.com

1. Intro

Ich, Claudia – Gründerin von Up-Preneurs – freue mich sehr, dass ich von Nils von flux – impulse eingeladen worden bin, einen Beitrag in der Reihe „Das Leben der Dinge und wie wir es verlängern können“ schreiben darf. Da ich nachhaltiges Design schätze, ist für mich Upcycling ein zentrales Thema. Für mich bedeutet Upcycling Produkte und Materialien, die vermeintlich unbrauchbar, hässlich, fehlerhaft, defekt, nutzlos oder minderwertig sind, länger im Einsatz zu halten. Dies kann einerseits durch eine Reparatur passieren, aber andererseits auch über die Veränderung der Funktion. Auch ist es denkbar, dass man das Material ohne oder mit nur kleineren Veränderungen als Rohstoff einsetzen kann (=Sekundärrohstoff).
Beim Begriff Upcycling denken viele automatisch an alte Jeans, die zu Taschen umgenäht werden, an alten Handtücher, die zu Teppichen geknüpft werden oder ausgediente Reifen, die zu Schaukeln oder Sandkasten umfunktioniert werden. Innovatives und kreatives Denken als auch handwerkliches Geschick ist dafür erforderlich. Wer es nicht selbst kann, lässt es machen.
Uns drängte sich seit einigen Jahren die Frage auf, ob Upcycling auch auf Unternehmen übertragbar sein könnte? Wir sind mittlerweile der Überzeugung, dass es möglich ist. Zuerst möchte ich aber einige Zahlen und Fakten zur Gesamtsituation geben, damit Du das Ausmaß als auch die Dringlichkeit zum Handeln besser nachvollziehen kannst.

2. Zahlen und Fakten

Trotz der sehr hohen Recyclingrate (bis zu 80%), werden für die Produktion neuer Ware fast ausschließlich neue ressourcenintensive Rohstoffe verwendet. Wusstest Du, dass nur 10% der eingesetzten Materialien in der Produktion aus Sekundärrohstoffen kommen? (1) Das bedeutet, dass die Industrie nur in einem sehr geringen Umfang wirkliche Kreislaufwirtschaft betreibt. Das wird vom jährlichen Circularity Gap Report 2021 von CIRCLE ECONOMY bestätigt. Sie berechneten, dass die Weltwirtschaft nur 8,6% zirkulär handelt. (2)

Quelle: eigene Darstellung, Up-Preneurs, Daten: (1)

Wo fällt alles Abfall an? Neben der Transport- und Produktverpackung, werden in der Produktion viele neue Werkstoffe verwendet und der Ausschuss (Metallspäne, Garne, Stoffreste, beschmutzter Sand…) wird einfach als Abfall deklariert. Die fertigen Produkte werden dann gelagert bis sie den Weg zum Abnehmer finden. Wenn das Produkt Fehler aufweist oder ein Ladenhüter ist, wird auch hier oft einfach alles dem Wertstoffunternehmer übergeben. Sobald das Produkt im Handel eintrifft und aus verschiedenen Gründen nicht verkauft wird, werden auch hier die Produkte einfach vernichtet.

Außerhalb der Retouren ist es gerade in diesem Bereich sehr schwer, verlässliche Zahlen zu erhalten. Aus der Abfallbilanz des statistischen Bundesamtes sind die Kennzahlen zu diesem Thema nicht offensichtlich. Durch Umrechnung und ein Schätzverfahren lassen sich die Kennzahlen nur erahnen. Frankreich packt das Problem ebenfalls an und von dort heißt es, dass bislang jährlich neue Produkte im Wert von 600 Millionen Euro mutwillig verschrottet worden sind. (3)

In den meisten Fällen wissen die Unternehmen gar nicht, was mit den Produkten und Materialien passiert, sobald sie diese als Abfall deklarieren. Für die Entsorgung wird gezahlt und die Verantwortung wird einfach weitergegeben. Deswegen wurde im Herbst 2020 das Gesetz zur Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetztes in Kraft gesetzt. Unter anderem bedeutet das für das Unternehmen, dass es prüfen sollte, ob das zu verschrottende Produkt gespendet oder reduziert verkauft werden kann. Upcycling zur Wiederverwendung ist nicht ausgeschlossen. Auch die Einkaufsabteilungen sollten darauf achten, recycelte Ware zu kaufen. Kritisch zu sehen ist die Kontrolle dieser Maßnahmen. (4)

3. Recycling vs. Upcycling

Vielleicht fragst Du Dich jetzt was der Unterschied zwischen Recycling und Upcycling ist?

Recycling wird tatsächlich oft als Überbegriff zum Down- und Upcycling verwendet. Im klassischen Recycling müssen jedoch Produkte (chemisch) auseinandergenommen werden. Um gleichwertige Produkte zu erhalten, müssen wieder neue Stoffe hinzu geführt werden. Je öfter ein Recyclingprozess durchgeführt wird, desto schlechter wird die Qualität des Endproduktes bzw. desto mehr neue Stoffe müssen hinzu geführt werden. Deswegen spricht man auch in dem Zusammenhang von Downcycling.

Beim Upcycling werden die Produkte derart verändert, dass sie aufgewertet sind. Durch die Aufwertung entsteht ein wertschöpfender Prozess.

Quelle: eigene Darstellung, Up-Preneurs

4. Was genau heisst Upcycling für Unternehmen?

Es gibt durchaus auch eine Vielzahl an Kategorisierungsmöglichkeiten. Diese wird im Folgenden anhand von praktischen Beispielen beschrieben. 

Das innovative Upcycling: 

Ein/-e ProduktdesignerIn kreiert aus einem Produkt etwas gänzlich Neues. Dies kann durch eine leichte Veränderung geschehen oder eine komplette Transformation der Funktionalität und des Ausgangsmaterials bedeuten.

Wenn das Unternehmen den Prozess des neuen Designs, die Produktion und den Vertriebs, selbst in die Hand nimmt, so bleibt das Produkt im unternehmensinternen Wirtschaftskreislauf. Vorteil dieses Vorgehens ist, dass das Unternehmen, statt Verschrottungskosten zu zahlen, einen Ertrag erzielen kann. Außerdem wird der Energie-, Ressourcen- und Transportaufwand gegenüber der Herstellung eines neuen Produktes minimiert. Dies wirkt sich positiv auf die CO2-Bilanz aus.

Hermès mit seinem Label PetitH ist Pioneer in diesem Bereich. Die Palette reicht von der Verarbeitung der Lederreststoffe und Seidentextilien zu Taschananhänger, Taschen, Lampen, Skulpturen und Möbelverkleidungen. Bei Timberland werden regelmäßig neue Schuhe aus aufbereitetem Leder, wiederverwendetem Polyester für Futter, recycelten Reifengummi für die Sohle hergestellt. Es konnte somit eine Minderung von 500 US-tCO₂ e pro 40.000 produzierte Stiefel erreicht werden. (5)

Vorteil von diesem internen Upcycling ist, dass das Unternehmen die Umsätze behalten kann und gleichzeitig bemerkenswerte nachhaltige Ziele erreichen kann. Ähnliche Konzepte verfolgen Vaude, Bionade und Lemonaid. Die Sporthersteller wie Puma und Adidas versuchen sich auch regelmäßig im Re- und Upcycling. Auch die Autohersteller fangen an aus Autositzen, Airbags, Autogurten und Autoscheiben in die Haute Couture einzudringen (wie z.B. Hyundai re:style).

Projekt von Hyundai re:style – Quelle: Hyundai

Sehr populär sind auch die Taschen von FREITAG. Diese werden aus ausgedienten LKW-Planen genäht und sind mittlerweile fester Bestandteil der Upcycling-Szene. Zirkeltraining macht aus alten Turnmatten ebenfalls Taschen, die mittlerweile einen Kultstatus erreicht haben. Die Liste origineller Ideen und erfolgreichen Geschäften ist lang!

Als Industriebeispiel möchte ich noch hinzufügen, dass bestimmte Plastikarten nicht recycelt werden können. Diese könnten zum Beispiel als Zusatz zum Straßenbau eingesetzt werden (ecopals) oder Schaumstoff kann in Yogamatten eingearbeitet werden wie z.B. bei HejHejMats.

Das Upcycling mit Rücknahmekonzept:

Hier geht es darum, dass Produkte von den Konsumenten wieder zurückgenommen werden und das Unternehmen sich um die Weiterverarbeitung der Ware kümmert.

So handhabt es die jufico GmbH, die die Quetschies der Marke fruchtbar herstellt. Die Kunden können die leeren Quetschies zurückschicken und bekommen daraus kostenlos eine Tasche genäht.

Ein anderes Konzept liefert Nike, das aus den Sohlen ausgedienter Schuhe der Kunden Sportplatzbeläge herstellt: Nike Grind

Caterpillar hat für die Industrie ein einmaliges und bemerkenswertes Konzept umgesetzt. Mit CatReman® werden Produktionsteile wieder zurückgenommen, aufbereitet und wieder in neue Fahrzeuge eingesetzt. Ein wiederhergestelltes Produkt bei der Fertigung verbraucht 85% weniger Energie als ein neues. (5)

Hier geht es definitiv um die Intention Verantwortung zu zeigen. Das Unternehmen setzt sich mit der Menge an Müll, die außerhalb ihres eigenen Kreislaufes produziert wird, auseinander.

Das Upcycling mit einem Bildungsauftrag:

Beim Bildungs-Upcycling werden die Materialien an eigene Ausbildungsstätten oder an kooperierende Hochschulen weitergegeben.

Für dieses Modell hat sich das französische Handelsunternehmen La Redoute entschieden, aber auch Vaude und der österreichische Schmuckhersteller Swarovski.

Der Nutzen dieses Ansatzes ist, dass die Schüler/Studenten ausreichend Materialien haben um sich ‚auszutoben‘. Sonst müssen die Ausbildungsstätten hierfür neue Materialien einkaufen. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Unternehmen damit den Nachwuchs für die eigene Produktion ausbilden. Automatisch wird auch der Nachhaltigkeitsaspekt geschult.

Möchtest du Teil der Upcycling-Bewegung werden?

Wie ihr seht, gibt es mittlerweile zu vielen Produktionsausschüssen und Lagerüberschüssen Lösungen, die sich fernab von Verbrennung zur Energiegewinnung ansiedeln….und das war wirklich nur ein Bruchteil. Wenn ihr über noch mehr Geschichten erfahren wollt, so könnt ihr gerne auf LinkedIn #upcyclingstories folgen.

Noch ein weiteres Plus:
Wir haben seit Kurzem jede Menge hochwertige Textilien an der Hand, u.a. Baumwollstoffe, (medizinisches) Kunstleder, Stoffe für Sonnensegel, etc. an der Hand. Bevor ihr was Neues kauft, wäre vielleicht eine Idee, dass ihr diese Textilien nutzt?

Falls ihr Hilfe bei Upcycling-Projekten in Serie braucht: Von den Produktdesignern bis zur Vermarktung findet Up-Preneurs für Euch die passende Unterstützung. Und für die Prototypen müssen wir auch nicht weit laufen, denn im Makerspace Gießen sind 3D-Drucker, die Elektronikwerkstatt und andere Technologien vor Ort, die die Phase von der Idee zur Produktion erheblich erleichtern. Oder wäre ein Kreativ-Workshop mit den Mitarbeitern eine Idee?

Falls ihr aktiv werden wollt, freuen wir uns gerne über Eure Nachricht.


Claudia Allonas, Gründerin von Up-Preneurs, hat sich schon an der Hochschule wissenschaftlich mit nachhaltigen Geschäftsprozessen beschäftigt. Ihr Weg über die Prozessoptimierung von Dienstleistungen in internationalen Logistikkonzernen und im Vertrieb von High-End-Produkten geht mit Up-Preneurs den konsequenten und richtigen nächsten Schritt. Hier verbindet sie ihre Erfahrung mit dem Wissen über erfolgreiche Geschäftsprozesse und ihrer Leidenschaft für gutes, nachhaltiges Design. www.up-preneurs.de
Foto: Michael Agel


ZITATE aus:  

  1. https://www.bcg.com/de-de/publications/2020/making-a-difference-2019-annual-sustainability-report 
  1. Circularity-gap.world 
  1. (3)Rund 20 Millionen Retour-Artikel landeten in Deutschland 2018 im Müll – https://www.wiwo.de/unternehmen/handel/entsorgung-oftmals-alternativlos-rund-20-millionen-retour-artikel-landeten-in-deutschland-2018-im-muell/25098148.html 
  1. https://www.bmu.de/themen/wasser-abfall-boden/abfallwirtschaft/abfallpolitik/kreislaufwirtschaft/eckpunkte-der-novellierung-des-kreislaufwirtschaftsgesetzes-krwg/ 
  1. aus: Wertschöpfung statt Verschwendung: Die Zukunft gehört der Kreislaufwirtschaft, Autoren: Jakob Rutqvist und Philipp Buddemeier 

Und die entsprechenden Homepages der Unternehmen.  

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